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26.07.2019
Ein Jahr EuGH-Entscheid zu Neuen Züchtungstechniken

DRV-Hauptgeschäftsführer Ehlers: Landwirtschaft von morgen braucht neue Technologien

LMR Doe Gentechnik

Vor einem Jahr hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) einige Neue Züchtungstechniken als Gentechnik eingestuft. Im Interview erklärt Dr. Henning Ehlers, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Raiffeisenverbandes (DRV), was das für die Wertschöpfungskette in der Agrarwirtschaft bedeutet. 

DRV: Ein Jahr EuGH-Entscheidung zur Anwendbarkeit des Gentechnikrechts auf bestimmte neue Züchtungstechniken. Wie beurteilen Sie die aktuelle Situation?

Ehlers: Leider treten wir seitdem auf der Stelle. Die Bundesregierung ist in der Sache zerstritten, die Diskussion auf europäischer Ebene verläuft sehr schleppend. Das führt dazu, dass die Situation für unsere im Agrarhandel tätigen Unternehmen deutlich unübersichtlicher geworden ist. Wir hoffen, dass die EU-Institutionen, nicht zuletzt die künftige Kommission, das Thema endlich anpacken werden. Denn wir brauchen unbedingt Rechtssicherheit.



DRV: Was bedeutet die Entscheidung für die Praxis des Agrarhandels?



Ehlers: Dadurch, dass Genome-Editing-Verfahren jetzt rechtlich als Gentechnik gelten, unterliegen sie der Freisetzungsrichtlinie. Und das bringt sehr strenge Zulassungs- und Kennzeichnungsverpflichtungen mit sich. Wir sind grundsätzlich damit einverstanden, dass draufsteht, was drin ist, doch in diesem Fall sind Umsetzung und Kontrolle sehr schwierig.



DRV: Sie sagen, die Kennzeichnung von mit Neuen Züchtungstechniken erzeugten Produkten ist schwierig. Kann das Auswirkungen auf internationale Warenströme haben?

 

Ehlers: Es ist in der Tat schwierig, weil derzeit am fertigen Produkt nicht nachweisbar ist, ob neue Züchtungstechniken verwendet wurden. Darüber hinaus muss man wissen, dass in einigen Ländern außerhalb der EU die Verwendung Neuer Züchtungstechniken gang und gäbe ist und nicht extra deklariert werden muss. Diese Produkte könnten dann also als konventionelle Ware auf unseren Markt kommen. 






DRV: Was muss aus Ihrer Sicht passieren, um die Situation zu verbessern?

Ehlers: Das EuGH-Urteil wurde auf Grundlage des bestehenden Gentechnikrechts gefällt, hierbei wurden nicht die aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisse einbezogen. Das Gentechnikrecht ist jedoch bereits sehr alt und nicht offen für Entwicklungen. Es muss zeitnah angepasst werden, um einen rechtsicheren Agrarhandel zu gewährleisten. 



DRV: Das zweite Jahr in Folge kämpfen Landwirtinnen und Landwirte in einigen Regionen mit deutlicher Trockenheit. Deshalb hat der DRV vor kurzem auch seine Ernteschätzung herabgesetzt. Könnten Neue Züchtungstechniken helfen, auf die Folgen des Klimawandels zu reagieren?

Ehlers: Neue Züchtungstechniken können in diesem Zusammenhang auf jeden Fall ein Teil der Lösung sein. Sie können helfen, Pflanzen zu finden, die zum Beispiel besser mit Trockenstress zurechtkommen und gleichzeitig weniger Düngemittel benötigen. Und es ist ja nicht nur der Klimawandel, der uns als Gesellschaft zu schaffen macht, wir müssen auch die weltweite Bevölkerungsentwicklung im Blick behalten. Die UNO hat ausgerechnet, dass derzeit jährlich 78 Millionen Menschen mehr auf dem Planeten leben. Die sollen natürlich alle satt werden und dafür braucht es eine produktive, nachhaltige und effiziente Landwirtschaft.

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